M99 muss bleiben!

Seit über 30 Jahren betreibt Hans-Georg Lindenau den „Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf M99“ in der Manteuffelstraße 99 und ist damit eine Kreuzberger Institution. Nun soll er geräumt werden. Die drei Kreuzberger Bundestagsabgeordneten haben sich in einem öffentlichen Schreiben an den Eigentümer mit der Bitte gewandt.

Seit über 30 Jahren betreibt Hans-Georg Lindenau den „Gemischtwarenladen für Revolutionsbedarf M99“ in der Manteuffelstraße 99 und ist damit eine Kreuzberger Institution. Der Laden ist einer der wenigen noch in Kreuzberg verbliebenen Orte, die an das rebellische Kreuzberg der 1970er und 80er Jahre erinnern. Doch leider sind eben immer mehr so charmante Orte und deren Menschen oder der alteingesessene Einzelhandel wie dieser durch Verdrängung bedroht. Nicht nur, dass der Laden für Hans-Georg Lindenau Arbeits- und Wirkungsstätte ist, es ist vielmehr sein Lebensort – und das seit über 30 Jahren.

Nun soll er das Haus verlassen. Der Eigentümer plant eine Sanierung. Im Anschluss daran ist der Ort M99 wie er nun existiert nicht mehr vorgesehen. Der Räumungstermin ist auch schon angekündigt: Der 9. August 2016. Die Tatsache, dass Hans-Georg, der auf Grund seiner Gehbehinderung, auf einen Rollstuhlangewiesen ist und sich über Jahre den Laden und die darüber liegende Wohnung für seine Mobilität umgestaltet hat, ist leider kein Grund für den Vermieter von seinem Vorhaben abzusehen.  Auch alle Zusicherungen, Angebote und Vermittlungsversuche seitens Hans-Georgs an den Vermieter sind bisher leider erfolglos geblieben. Breite Solidarität erfährt Hans-Georg Lindenau durch die Anwohnerschaft, Menschen aus ganz Berlin und sogar aus Hamburg, also über die Landesgrenzen hinweg, durch Bündnisse wie Zwangsräumung verhindern oder Nachbarschaftsinitiativen wie Bizim Kiez.

Halina findet es politisch wichtig, dass zum einen der M99 mit Hans-Georg Lindenau als Kreuzberger Institution auch weiterhin im Kiez bleibt und zum anderen hier ein Zeichen gesetzt wird, dass Wohnraum keine Ware ist. Deshalb hat sie gemeinsam mit den anderen Bundestagsabgeordneten des Wahlkreises Hans-Christian Ströbele und Cansel Kiziltepe einen öffentlichen Brief an den Vermieter geschrieben mit der Bitte von der Räumung abzusehen:

 

"Sehr geehrte Familie Hellmann, sehr geehrter Herr Rechtsanwalt Wollmann,

 die Stadt ist ein Ort der permanenten Veränderung und die Stadt ist ein Raum, in dem berechtigte Interessen miteinander in Einklang gebracht werden müssen. In ihrem Haus – Manteuffelstr. 99 Ecke Waldemarstr. 108 – in Berlin-Kreuzberg spitzt sich seit vielen Monaten eine Situation zu, die wir mit großer Sorge betrachten. Der langwierige Prozess der Auseinandersetzung zwischen Ihnen und ihrem Mieter Hans-Georg Lindenau ist uns bekannt -und auch, dass die rechtliche Situation, Ihnen ermöglicht eine Räumung durchzusetzen.

Wir erkennen ihr Interesse, ihr Haus zu sanieren und bestmöglich nutzbar zu machen, sehen aber auch einen Bewohner, der nicht nur seit über 30 Jahren im Haus wohnt, sondern wegen seiner Behinderung und seiner Tätigkeit als Ladenbetreiber in besonderem Maße an die gegebene Örtlichkeit gebunden ist.

Wir sahen die Bemühungen der Nachbarschaftsinitiativen eine Zukunft für Herrn Lindenau mit seinem Wohnladen in Ihrem Haus im Dialog und Kompromiss mit Ihnen zu organisieren und hören die Einschätzung der Lage von der Bürgermeisterin von Kreuzberg-Friedrichshain sowie von der Beauftragten für Menschen mit Behinderung im Bezirk.

Dies alles verstärkt unsere Sorge, dass hier die wirtschaftliche und praktische Existenz eines Menschen durch eine Räumung in höchstem Maße bedroht ist. Leider wird es kaum möglich sein, Herrn Lindenau eine passende andere Räumlichkeit zu verschaffen, die sowohl behindertengerecht ist, als auch den Betrieb eines Ladens und somit die Sicherung seines Lebensunterhaltes erlauben würde.

Durch die Festsetzung eines Räumungstermins scheint die Zerstörung der Existenz eines Menschen und eines Unternehmens nun besiegelt.

Wir appellieren an Sie, es nicht soweit kommen zu lassen. Bitte gehen Sie auf die Kompromissvorschläge Ihres Mieters ein. Sein Angebot, die Räume im 1. OG und damit den überwiegenden Teil der bisher von ihm belegten Fläche zu räumen, sowie die Duldung aller geforderten baulichen Maßnahmen und die Zustimmung zu einer deutlichen Erhöhung der Miete sind weitgehende Angebote, die wir Sie bitten noch einmal in Betracht zu ziehen.

So wäre eine Zukunft für Herrn Lindenau und sein lebensnotwendiges Wohnladenkonzept in den angestammten Wohnräumen auf 75 qm und dem jetzig genutzten Keller als Warenlager Ihres Hauses möglich.

Sollten Sie dazu nicht bereit sein, bitten wir Sie Ihrem Mieter ein weiteres großzügiges Zeitfenster zur Verfügung zu stellen, in dem er und seine Unterstützer*innen weiter für einen zumutbaren Ersatz für Herrn Lindemann suchen können.

Gerne stehen wir auch für Vermittlungsgespräche zu Verfügung, um einen angemessenen Interessenausgleich zu finden.

Mit freundlichen Grüßen,

Cansel Kizeltepe

Halina Wawzyniak

Hans-Christian Ströbele"