Rede zu Protokoll: Netzneutralität ist die soziale Frage des digitalen Zeitalters

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Das Internet ist in Gefahr. Zumindest das Internet, so wie wir es kennen. Wir sind drauf und dran, das Internet als Medium für alle zu verlieren. Schuld sind die Profitinteressen einiger weniger Konzerne. Wir müssen uns endlich gewahr werden, dass Netzneutralität nichts anderes ist als DIE soziale Frage des digitalen Zeitalters. Doch so weit muss es nicht kommen. Noch ist es nicht zu spät, um das Netz für alle zu sichern.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

das Internet ist in Gefahr. Zumindest das Internet, so wie wir es kennen. Wir sind drauf und dran, das Internet als Medium für alle zu verlieren. Schuld sind die Profitinteressen einiger weniger Konzerne. Sie wollen aus dem Mitmach-Internet ein Geldmach-Internet machen. Heraus kommen wird ein Zweiklassen-Internet, in dem diejenigen, die wenig besitzen nur noch Basis-Funktionen, und diejenigen, die bereit sind, Geld locker zu machen, alle Funktionen nutzen können. Das klingt alles sehr drastisch, aber das wird Ergebnis der EU-Verordnung sein, die Ende letzten Jahres verabschiedet wurde und das Prinzip der Netzneutralität aushöhlt. Wir müssen uns endlich gewahr werden, dass Netzneutralität nichts anderes ist als DIE soziale Frage des digitalen Zeitalters. Doch so weit muss es nicht kommen. Denn die EU-Verordnung bietet die Möglichkeiten, Netzneutralität weitestgehend zu sichern und das Netz für alle offen zu halten.

Derzeit diskutiert die europäische Regulierungsbehörde BEREC darüber, wie die EU-Verordnung ausgelegt werden kann. Leider hält sich die Bundesregierung komplett aus dieser Diskussion raus und überlässt das lieber der Bundesnetzagentur. Wir LINKE haben spätestens seit dem unsäglichen Vorgehen der Bundesnetzagentur bei ihrer Entscheidung zum Ausbau von DSL-Vectoring unsere Zweifel, ob da wirklich etwas herauskommt, was die Nutzerinnen und Nutzern des Internets im Fokus hat, und nicht die Profitinteressen der Konzerne. Denn was die Bundesnetzagentur beim DSL-Vectoring veranstaltet hat, nützt ausschließlich der Telekom. Wir wollen daher, dass die Bundesregierung Position bezieht und selbst dafür sorgt, dass die Netzneutralität auf Grundlage der EU-Verordnung gesichert wird.

Nun hat BEREC ihre Vorstellungen einer Interpretation der EU-Verordnung vorgelegt. Ganz so katastrophal wie befürchtet sind sie zum Glück nicht. Aber es bleiben immer noch Schlupflöcher. Und diese Schlupflöcher sind nach meiner Auffassung die Knackpunkte, will man ein Zwei-Klassen-Internet verhindern. Diese Knackpunkte heißen Zero-Rating, zweiseitige Märkte und Spezialdienste. Diese stellen die größte Gefahr des neutralen Internets da. Und diese wären alle nach den BEREC-Plänen erlaubt.

Wir wollen, dass zweiseitige Märkte und Zero-Rating-Angebote untersagt werden. Zweiseitige Märkte bedeutet, dass Zugangsanbieter wie bspw. die Telekom nicht nur Geld für den Internet-Anschluss, sondern noch zusätzlich für dessen Nutzung nehmen kann. Wer schneller durchgeleitet werden will, muss mehr zahlen. Hierbei handelt es sich aber um Priorisierung, die nur auf kommerziellen Erwägungen beruht. Es hängt wohl kaum ein Leben davon ab, dass ein Videostreamingdienst schneller durchgeleitet wird als ein anderer. Das ist ausschließlich eine Einnahmequelle für Internetanbieter. Verkehrsmanagement-Maßnahmen aus kommerziellen Gründen sind aber laut Artikel 3, Absatz 3 der EU-Verordnung nicht erlaubt. Gleiches gilt auch für Zero-Rating-Angebote wie die schon angesprochene Spotify-Flatrate der Telekom. Auch das ist ein kommerzielles Verkehrsmanagement und wäre nicht erlaubt. Es würde also der EU-Verordnung entsprechen, wenn zweiseitige Märkte und Zero-Rating-Angebote explizit untersagt würden.

Darüber hinaus fordern wir, dass priorisierte Dienste höchstens fünf Prozent der aktuellen Übertragungskapazität ausmachen dürfen, bis ein flächendeckendes Glasfasernetz aufgebaut wird. So bleibt sichergestellt, dass ausreichend Netzkapazität für das offene Internet zur Verfügung steht. Als Nebeneffekt würde dies einen Anreiz für Telekommunikations-Unternehmen bieten, das Glasfasernetz schnell und umfassend auszubauen.

Nun kann man argumentieren, dass ein solcher Antrag etwas spät kommt. Dieser Auffassung, unter anderem von den Grünen vertreten, kann ich mich nicht anschließen. Denn würde dieser Antrag angenommen, wäre er ein deutliches Signal an die Bundesregierung und auch an die Bundesnetzagentur, sich konsequent in den Verhandlungen um die Auslegung der EU-Verordnung für ein wirklich neutrales Netz einzusetzen. Ich kann sie nur inständig darum bitten, mit uns gemeinsam dieses Signal zu setzen. Denn noch ist es eben nicht zu spät, um das Netz für alle zu sichern.