Sommer im Wahlkreis: Besuch bei alten Bekannten #3

Auf die berühmt berüchtigten Wahlkreistage freut Halina sich immer. Denn die Reisen raus aus der Raumfahrtkapsel ‚Bundestag‘ bescheren ihr immer wieder neue interessante Gespräche mit tollen Menschen, Vereinen und Initiativen und zünden außerdem jedes Mal neue Ideen und Anregungen für ihre parlamentarische Arbeit. Denn ‚Politik muss praktisch sein‘ und über Reden, Kleine und Große Anfragen und den restlichen Verwaltungskram hinausgehen. Bei Halinas Sommertour wurde ein Problem immer wieder angesprochen: Verdrängung. Diesmal von Kleingewerbe, sozialen Einrichtungen sowie Projekten und Vereinen.

Auf die berühmt berüchtigten Wahlkreistage freut Halina sich immer. Denn die Reisen raus aus der Raumfahrtkapsel ‚Bundestag‘ bescheren ihr immer wieder neue interessante Gespräche mit tollen Menschen, Vereinen und Initiativen und zünden außerdem jedes Mal neue Ideen und Anregungen für ihre parlamentarische Arbeit. Denn ‚Politik muss praktisch sein‘ und über Reden, Kleine und Große Anfragen und den restlichen Verwaltungskram hinausgehen. Bei Halinas Sommertour wurde ein Problem immer wieder angesprochen: Verdrängung. Diesmal von Kleingewerbe, sozialen Einrichtungen sowie Projekten und Vereinen.

Bizim Kiez – Unser Kiez – Besuch bei neuen, aber nicht Unbekannten

Vor über einem Jahr schlossen sich Nachbar_innen im Wrangelkiez zusammen, um sich für den Erhalt des Gemüseladens Bizim Bakkal einzusetzen. Der Gemüseladen mit Ladeninhaber und Familie waren seit über drei Jahrzehnten fester Bestandteil des Kiezes, seiner Versorgungs- und Sozialstruktur. Nachdem der Vermieter dem Laden die Kündigung ausgesprochen hatte, kam es zu breiten nachbarschaftlichen Protesten. Damals versuchten auch die drei Bundestagsabgeordneten aus Friedrichshain-Kreuzberg den Vermieter zur Rücknahme zu bewegen.

Den Gemüseladen in der Wrangelstraße gibt es mittlerweile nicht mehr, aus dem Zusammenschluss der Nachbarschaft wurde jedoch die Initiative - Bizim Kiez -, die sich dem Erhalt der Nachbarschaft, der Kiezstruktur und dem Kampf gegen Verdrängung verschrieben haben – und das über die Bezirksgrenzen hinweg.

Die Verdrängung betrifft eben nicht nur um Mieter_innen in Wohnungen, sondern bspw. auch Lokale, Eckkneipen, Vereine und Projekte, den Einzelhandel oder Kindergärten – eben jene Orte, die oft über Jahrzehnte hinweg im Kiez ansässig sind und diesen bedeutend mitprägen. Solche Orte laufen unter Gewerbe und haben entsprechend Gewerbemietverträge. Anders als bei Mietverträgen für Wohnungen gelten hier andere Bedingungen. Rüstzeug zum Schutz der Gewerbemieter_innen vor massiven Mieterhöhungen oder Kündigungen gibt es so gut wie nicht. Und im Zuge der massiven Mieterhöhungen können sich insbesondere kleinere Gewerbe die Mieten nicht mehr leisten.

Dies ist ein großes Problem. Und eine Auflösung ist nicht wirklich in Sicht. Wann ist eine Einrichtung Kleingewerbe und sollte besonderen Schutz genießen? Was ist mit anderen Gewerbeeinrichtungen, welche schon seit Jahren ansässig ist? Denn auch Filialien von Ketten – ob nun Klamotten, Fast-Food, Drogerieprodukte oder Nahrungsmittel – gehören in manchen Kiezen seit Jahren dazu.

Darüber hinaus beschäftigt sich die Initiative mit aktuellen und relevanten Themen wie Zweckentfremdung durch Leerstand, Schlupflöchern des Milieuschutzes, Mieterhöhung und Verdrängung durch Energetische Sanierung, Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, der dem Vorkaufsrecht der Bezirke.

Zu letzterem gibt aktuell sogar erfreuliche Nachrichten: Nachdem auf Bitten der Mieter_innen der Bezirk für ein Gebäude in der Wrangelstraße sein Vorkausfrecht wahrgenommen hat, hat nun die GEWOBAG per Beschluss im Aufsichtsrat, den Kauf des Hauses sichergestellt: 30 Wohnungen können so in den kommunalen Wohnungsbestand aufgenommen werden.

Bizim Kiez beschäftigt sich nur mit mietenpolitischen Themen, bietet Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten für die Nachbarschaft und andere Initiativen, formuliert politische Forderung an Bezirks-, Landes- und Bundesebene - sondern begleitet auch konkrete Fälle. Der aktuellste und wohl bekannteste Fall ist das Schicksal vom M99, dem „Gemischtwarenladen mit Revolutionsbedarf – M99“ in der Manteuffelstraße und dem Inhaber Hans Georg Lindenau (genannt HG). Der Fall ist komplex: Für HG ist der M99 seit Jahrzehnten Arbeits- und Lebensraum zugleich. Nun soll er ausziehen. Auch hier haben die drei Bundestagsabgeordneten mit einem Schreiben an den Vermieter ihre Solidarität zum Ausdruck gebracht. Bizim Kiez begleitet gemeinsam mit dem Bündnis Zwangsräumung verhindern den Fall intensiv.  Ende September steht der endgültige Räumungstermin bevor.

Gemeinsam mit Martina, Magnus, Mehmet und Philipp von Bizim Kiez traf sich Halina am Ufer der Spree, gleich neben der Foto-Ausstellung „Unser Laden, unser Leben – Bizim Kiez“. Sie sprachen über das Problem Schutz von Kleingewerbe und diskutierten mögliche Lösungsansätze. Doch so einfach ist es nicht. Halina versprach, sich weiter Gedanken über mögliche Lösungsansatz zu machen. Denn „Bizim Bakkal“ ist kein Einzelfall. Schon bei Besuchen im vorletzten Jahr sprachen Initiativen von dem Problem Verdrängung und der eigenen Betroffenheit – und dieses kommt mittlerweile bei fast jedem Besuch auf den Tisch: Einrichtungen, die Menschen in schwierigen Lebenslagen in ihren Wohnungen betreuen, berichten davon, dass es in der Innenstadt immer schwerer wird, bezahlbare Wohnungen für Klient_innen zu finden – ganz abgesehen von bezahlbaren Gewerberäumen. Dieses Thema wird Halina auch bei weiteren Besuchen begegnen.

Bizim Kiez ruft gemeinsam mit anderen Initiativen zur Demo am 10. September auf – Gegen Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt!

Frieda Frauenzentrum – Besuch bei sehr guten alten Bekannten

Auf manche Besuche freut Halina sich ganz besonders. So zum Beispiel auf den im Frieda Frauenzentrum in der Proskauer Str. 7. Die Frauen von Frieda gehören mittlerweile schon zu Halinas ‚Alten Bekannten‘ – und das nicht nur, weil sie bereits in den 1990er Jahren zusammen Fußball spielten.

Nachdem Halina sich von den Resten einer echten Friedrichshainer Tretmiene befreit hatte, sprachen Steffi, Beate und Halina erstmal über die anstehenden Abgeordnetenhauswahlen. Vor allem was die Wahlkampagnen der Parteien betrifft, waren die drei sich darüber einig, dass es leider immer weniger Inhalte gibt, die Kampagnen dafür aber immer personenbezogener sind. In diesem Zusammenhang erzählte Steffi auch, dass sich Frieda eigentlich immer versucht parteineutral zu verhalten, dass es ihnen im Fall der AfD und ihrem Geschlechter- und Frauenbild einfach nicht möglich ist. So will die rechtspopulistische Partei Alleinerziehenden staatliche Unterstützungen streichen, wenn sie sich ‚selbst‘ für dieses Lebensmodell entschieden haben, da sie gegen die „Glorifizierung individualisierter Lebensformen“ sind. Aus diesem Grund beteiligt sich das Frieda Frauenzentrum an der Aktion ‚Bunte Tücher gegen die AfD‘, zu welcher Berliner Frauen* zu den Berliner Landtagswahlen aufrufen. Eine tolle Aktion, die auf jeden Fall unterstützenswert ist, findet Halina.

Dann wollte Halina noch mehr über das Anti-Stalking-Projekt des Frauenzentrums erfahren. Bei ihrem letzten Besuch erzählte Beate Köhler – Koordinatorin des Projekts - , dass vor allem Cyber-Stalking nicht ernst genug genommen wird. Auch von der Polizei. So gab es letztes Jahr im für Frieda zuständigen Polizeiabschnitt nur einen zuständigen Beamten, der …drücken wir es vorsichtig aus…nicht ganz so internetaffin war. „Hinsichtlich des Interesses der Polizei zu diesem Thema hat sich im letzten Jahr auf jeden Fall einiges getan. Wir haben im Mai eine Fachtagung zum Thema Cyber-Stalking gemacht. Als unser Polizeiabschnitt davon erfuhr und klar war, dass die Teilnahme kostenlos ist, haben sie viele ihrer Beamten zu uns geschickt. Zwei Drittel der Besucher_innen waren Polizist_innen. Das war echt toll“, erzählte Beate. Und auch bei Anwält_innen beobachtet Beate eine höhere Sensibilität für das Thema Stalking im Allgemeinen als es vor einigen Jahren noch der Fall war. Des Weiteren erzählten Steffi und Beate, dass viele Probleme hinsichtlich des Umgangs mit Stalking oder auch dem neuen Prinzip ‚Nein heißt Nein‘ im Sexualstrafrecht mit dem immer noch patriachalen Geschlechter- bzw. Frauenbild innerhalb der Gesellschaft zusammenhängen. Viele Frauen sind verunsichert und peinlich berührt – und die Mehrheit der von Stalking und sexualisierter Gewalt Betroffenen sind Frauen. Es ist wichtig, dass sie durch kompetente Beratungsstellen empowert und auf die Gespräche mit z.B. der Polizei vorbereitet werden. „Es muss ihnen deutlich gemacht werden, dass sie nackt und in ihren höchsten Highheels auf die Straße gehen können und trotzdem kein Mann das Recht hat sie anzufassen“, bringt es Beate auf den Punkt. Außerdem würden auch Polizei und Anwält_innen von einer besser ausgebauten Beratungsstruktur profitieren, da sie sich so auf die rein (straf-)rechtlichen Aspekte der Fälle konzentrieren könnten und die Beratungsstellen den emotionalen Part übernehmen würden.

Im Hinblick auf das Stalking-Gesetz waren sich Beate, Steffi und Halina einig, dass die Hürden der Betroffenen für eine Anzeige bzw. erfolgreiche Verurteilung der Täter zu hoch liegen. So läuft immer noch viel über das Gewaltschutzgesetz, da das Stalking-Gesetz oft nicht ausreicht. Auch die kommende Änderung des Sexualstrafrechts ‚Nein heißt Nein‘ begrüßen alle, da es längst überfällig war. Abstriche machen die drei Frauen jedoch alle im Hinblick auf den Gruppenparagraphen und das Ausweisungsrecht.

Halina bedankt sich ganz herzlich bei Beate und Steffi für den tollen Vormittag. „Das war doch wieder sehr schön und interessant. Die Frauen von Frieda sind echt toll“, resümiert Halina beim anschließenden Rührei im Kiez-Café Intimes in der Boxhagener Straße.

Drogentherapiezentrum – ein weiteres Wiedersehen mit alten guten Bekannten

Nach einem kurzen Verdauungspaziergang durch den Simon-Dach-Kiez ging es dann ins Drogentherapiezentrum in der Frankfurter Allee 40 (DTZ). Sowohl das DTZ als auch der Leiter Joachim Hottmann gehören ebenfalls zu Halinas ‚Alten Bekannten‘ im Wahlkreis. Halinas letztes Treffen mit dem DTZ fand vor zwei Jahren in Oscars Leselounge – einem ehemaligen Projekt des DTZ in der Bezirksbibliothek Friedrichshain-Kreuzberg in der Frankfurter Allee 14a – statt. Mit dem Auslaufen des Modells Bürgerarbeit konnte das Projekts trotz der positiven Auswirkungen auf die Mitarbeiter_innen, die alle Ex-User_innen waren, und die Besucher_innen der Bibliothek, leider nicht weiterfinanziert werden. „Wissen Sie was aus den Mitarbeiter_innen aus der Leselounge nach der Schließung geworden ist?“, wollte Halina von Herrn Hottmann wissen. „Ja, sie haben alle irgendwie ihren Weg gefunden. Eine arbeitet z.B. als Tanz-Therapeutin und ein anderer schließt bald seine Ausbildung als Gebäudereiniger ab. Geholfen hat allen dabei auf jeden Fall die Arbeit in der Leselounge. Es ist wichtig, dass die Betroffenen eine Arbeit verrichten können, die nicht nur bloße Beschäftigung ist, sondern die auch Anerkennung mit sich bringt. Die ihnen wieder ein Selbstwertgefühl gibt. Das ist auch ein ganz wichtiger Aspekt in der Therapie und für den Weg zurück ins Leben“, erzählte Herr Hottmann.

Im Zuge von Besuchen bei anderen Vereinen wie kürzlich bei Bizim Kiez traf Halina in letzter Zeit immer wieder auf das Problem mit Gewerbemietverträgen. Denn anders als bei Mietverträgen für Wohnraum, unterliegen Gewerbemietverträge, vor allem wenn sie befristet sind, keinem Kündigungsschutz. Dies gestaltet sich vor allem im Zuge von Verdrängung und Gentrifizierung für viele soziale Vereine als großes Problem. Besonders problematisch ist dies für Vereine etc., die Räume als Wohnraum an Klient_innen vermieten. Seitdem überlegt Halina, wie man die Betroffenen mit einer Gesetzesänderung rechtlich am wirkungsvollsten schützen könnte. Laut Herrn Hottmann ist das DTZ an sich und auch im Bereich des Betreuten Wohnens von diesem Problem aktuell nicht betroffen, doch merken auch sie, dass es immer schwerer bis nahezu unmöglich wird, innerstädtischen Wohnraum für den Bereich des Betreuten Wohnens zu finden. Vor allem wenn die Vermieter_innen hören, dass die künftigen Bewohner_innen eine Doppeldiagnose haben – suchtkrank mit psychischen Begleitdiagnosen. Hinzukommen dann natürlich auch die steigenden Mietpreise. „Wenn man eine gute Betreuung gewährleisten möchte, kann dies natürlich nicht mit der Bezahlung der Mitarbeiter_innen kompensiert werden. Denn darum geht es uns ja eigentlich. Das ist unser Auftrag!“, betonte Herr Hottmann.

Angesichts der aktuellen Situation wollte Halina noch wissen, ob Herr Hottmann eine Veränderung hinsichtlich der Struktur der Klient_innen beobachtet. Werden die Klient_innen wirklich immer jünger? Sind unter den Klient_innen mehr Geflüchtete?

„Also wenn die ständigen öffentlichen Aussagen, dass User_innen immer jünger würden richtig wären, müssten wir jetzt mittlerweile bei 12-Jährigen angekommen sein. Also nein. Der Großteil unserer Klient_innen ist meist zwischen 24-27 und meist männlich. Geflüchtete haben leider keinen Therapieanspruch bzw. nur, wenn sie einen Aufenthalt von mindesten 6 Monaten haben.“, erzählt Herr Hottmann. Doch vor allem was den Umgang mit Geflüchteten in der Sucht- und auch Traumatherapie betrifft, besteht dringender Handlungsbedarf.

Hinsichtlich der konsumierten Drogen berichtet Herr Hottmann, dass der Großteil der Klient_innen THC-abhängig ist, wobei es sich oft nicht mehr um die frühere natürliche Variante handelt, sondern um synthetisches THC in Verbindung mit anderen Substanzen handelt. Der Suchtfaktor ist bei diesem neueren THC tatsächlich ein anderer. Zudem gibt es im Vergleich zu früher mehr Doppeldiagnosen bzw. psychische Begleitdiagnosen.

Des Weiteren berichtete Herr Hottmann von einem neuen Projekt, an dem aktuell zusammen mit 6 anderen Kliniken bundesweit gefeilt und für eine Finanzierung gekämpft wird: Online-Nachsorge für Crystal Meth-Abhängige. Ein Modell, das es im Bereich der Sucht-Therapie so noch nicht gibt. Diese Idee findet Halina nicht nur als netzpolitische Sprecherin ihrer Fraktion toll. „In unserem digitalen Zeitalter bleiben so viele Möglichkeiten des Internets noch ungenutzt. Warum es nicht auch im medizinischen und therapeutischen Bereich nutzen, um nahtlos an z.B. stationäre Therapien anschließen zu können“, findet Halina. Halina wünscht dem DTZ und den anderen 6 Kliniken – und vor allem den potenziellen Nutzer_innen der Online-Nachsorge – viel Erfolg.

Halina bedankt sich sehr für das Gespräch mit Herrn Hottmann und wünscht ihm weiterhin viel Erfolg bei der Arbeit. „Es ist echt toll, dass es dieses riesige Therapiezentrum hier mitten im Friedrichshainer Kiez gibt. Eigentlich müssten viel mehr Leute davon erfahren. Schon allein, um den gesellschaftlichen Vorurteile gegenüber Ex-User_innen und der Stigmatisierung dieser entgegenzuwirken.“, findet Halina.

Damit geht in diesem Jahr Halinas Sommertour zu Ende. Es waren viele spannende Besuche und Halina konnte wieder einiges für ihre parlamentarische Arbeit mitnehmen. Sie wünscht allen Projekten, Vereinen und Initiativen für ihre Arbeit und Zukunft alles Gute. Bis zum nächsten Mal!